| PERSPEKTIVE |

«Hund hast du deine sieben Sachen für die Ferien gerüstet?» rufe ich dem Hund zu, während ich mit dem letzten Kleinzeug für den Rucksack an seiner Oase vorbei husche. 

«Jep!» ist die äussert knappe Antwort des Hundes. «Hund hast du auch alles verpackt und bei der Türe bereitgestellt? Du weisst wir werden gleich abgeholt!» hake ich nach. «Mensch, ich dachte du hast es mit den Augen, nicht mit den Ohren?» zischt es mir ab der Oase entgegen. «Immer wenn ich von dir ein saloppes „JEP“ zu hören bekomme, weiss ich Hund ist nicht richtig bei der Sache!» zische ich nun meinerseits in die Richtung des Hundes.  

«ACHTUNG…!» beginnt der Hund zu rufen, als ich bereits über etwas Hartes im Gang stolpere. «Sche….!» rufe ich mit schmerzverzehrtem Gesicht. «Nein, das ist nicht SCH….. sondern mein Gepäck, mein lieber Freund!« gibt der Hund schmunzelnd zur Antwort. Als der Schmerz im grossen Zeh abgeklungen ist und ich einigermassen erfassen konnte wie viele Gepäckstücke da vor der Türe rumstehen, frage ich in die Richtung des Hundes. «Ziehst du aus?»  «Hä?» entgegnet der Hund fragend. «Hund wir haben lediglich zehn Tage Wander- und Badeferien gebucht! Und wenn ich es noch richtig im Kopf habe bist du eine Fellnase, welche es hasst vom Menschen in Kleider gesteckt zu werden!» sage ich zum Hund.  

«Denk nicht mal daran Mensch!» zischt mich der Hund erneut an. «OK! Dann verrate mir aber bitte, was du alles mitnimmst? Vor unserer Haustüre stehen 3 Hartschalenkoffer und zwei Rucksäcke alleine für dich!» sage ich verwundert zum Hund. «Während es sich der Mensch die nächsten zehn Tag gut gehen lässt, sind es für meine Wenigkeit die härtesten Tage des Jahres! Da will Hund gut ausgerüstet sein!» erklärt sich der Hund bestimmt.  

«Ach so! Und was hat Hund nun alles eingepackt?» will ich mit einem Schmunzeln wissen. «Nicht viel!» winkt der Hund ab. «Wie bitte?» pruste ich dazwischen. «Eigentlich nehme ich nur etwas mit!» schnaubt mich der Hund an. «Ja klar! Darum stehen hier auch fünf Gepäckstücke rum!» winke ich ab. Einen Moment schauen wir schweigend auf das Gepäck. Da überkommt mich plötzlich ein schrecklicher Gedanke.  

«Hund, hast du eben gesagt du nimmst nur etwas mit?» der Hund beginnt zu grinsen und sagt «Jep!» «Du hast definitiv einen Knall, Hund! Drei Koffer und zwei Rucksäcke voll Kirschstängeli für zehn Tage?» sage ich fragend und kopfschüttelnd zum Hund. Noch bevor der Hund etwas entgegnen kann, klingelt es an der Türe. Unsere Mitfahrgelegenheit ist bereit.  Mit ach und krach haben wir auch unser Gepäck noch im Auto untergebracht und sitzen nun dafür eng zusammen gepfercht auf der Rückbank zwischen den Koffern mit den Kirschstängeli. Nach einer Weile fragt mich der Hund.  

«Hast du eigentlich beim Hotel nachgefragt, ob Blindenführhunde erlaubt sind?» «Natürlich! Unterschlagen habe ich aber deinen Knall und die Kirschstängeli Sucht!» entgegne ich schmunzelnd. Als wir ankommen, bin ich froh aussteigen zu können. Denn die Druckstelle des Koffers in der Rippengegend und der Hund an den Füssen hat die mehrstündige Fahrt eher zur Qual verkommen lassen. Voller Vorfreude betreten wir, ausgerüstet mit Blindenstock und angelegtem Führgeschirr die Hotellobby.  

An der Rezeption werden wir von einer freundlichen Dame Empfangen. Herzlich willkommen in unserem Hause! Hatten sie eine angenehme Fahrt?» will die Dame von uns wissen. «Alles bestens, Danke!» gebe ich lächelnd zur Antwort, obwohl mir die Rippen dank Hundekoffer noch immer Schmerzen bereiten. Dann erblickt die Dame den Hund und sagt zu ihm. «Hallo Süsser!» während sie ihm zu winkt. Dann hält sie plötzlich inne, wendet sich an mich und sagt: «Der kann mich ja gar nicht sehen, das ist ja ein blinder Hund!»  

Ich muss mich beherrschen und vermeide es, den Hund anzuschauen. Ich weiss genau, dass ich meinen Lachanfall sonst nicht unterdrücke. Als ich mich einwenig gefasst habe, schaue ich ihn dennoch an. Ich spüre förmlich, wie schwer es ihm fällt, sich zurückzuhalten. Schliesslich kommt es wie es kommen musste. Er spricht die Frau an: «Durch mein Augenleiden habe ich den aufrechten Gang leider verlernt. Darum muss die angezogene Angelrute da neben mir für mich den Blindenstock halten. Mit Hilfe des auf dem Rücken festgebundenen Bügels kann er mich so jeweils vor so mancher Konfrontationen mit diversen Hindernissen bewahren!» knirscht der Hund die Dame an.  

Anstatt einzugreifen, ertappe ich mich, wie ich dem Hund zustimmend zunicke. Zum Glück scheint die Frau nicht mit Hunden sprechen zu können, denn sie sieht mich verwundert und auf eine Antwort wartend an. Ich kriege gerade noch die Kurve. «Nein nein, ich bin der Blinde von uns zwei, der Hund sollte mir eigentlich behilflich sein!» entgegne ich mit einem Augenzwinkern.  

Der netten Dame scheint es etwas unangenehm zu sein, sie wechselt umgehend das Thema, übergibt uns den Schlüssel und bittet uns auf die Terrasse für den Begrüssungsdrink. Obwohl sich der Hund nach wie vor kaum einkriegen kann, steht er auf und führt mich hinaus auf die Terrasse während er mir zuflüstert.  

«Entschuldigung Mensch, offensichtlich bin ich hier nicht der Einzige mit einem Knall, wobei meine Variante DEFINITIV die harmlosere zu sein scheint!» 

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