| LERNEFFEKT |

«Was beschäftigt den Menschen dermassen, dass er seit Stunden hier draussen sitzt, in die Weite starrt und somit nicht nur die Zeit, sondern auch die Fütterung seines Begleiters vergisst?» will der Hund von mir wissen, nachdem er mich mehrere Male mit der Schnauze angestossen hat. «Ich geniesse lediglich die herrliche Frühlingsabendsonne, mein treuer Freund.» entgegne ich. «Von wegen, der Mensch geniesst die Abendsonne. Ich weiss, du kannst kaum mehr was erkennen, aber lasse dir gesagt sein, es wird in Kürze ganz dunkel sein. Die Sonne ist bereits hinter dem Horizont abgetaucht. Somit hättest du bemerken müssen, dass auf deinem Gesicht keine Wärme mehr zu spüren ist. Da du mal wieder irgendwo warst, aber mit Garantie nicht im hier und jetzt, hast du es nicht bemerkt.» schliesst der Hund seinen wirren Monolog.

«Du meinst ich kann die Sonnenbrille nun abnehmen.» gebe ich schmunzelnd zur Antwort. «Zumindest musst du sie wegen deiner Blendempfindlichkeit nicht mehr tragen.» flappst der Hund zurück. «Schön, dann lass uns nun reingehen, damit ich deinen Futtertrog reichlich auffüllen kann.» sage ich zum Hund und will gerade aufstehen als dieser mir ins Wort fällt. «Das eilt nun auch nicht mehr Mensch. Erzähle mir vorher noch kurz was dich so beschäftigt, dass du alles um dich herum vergisst.» «Ist schon gut Vierbeiner. Lass uns nun rein gehen und das Abendessen vorbereiten.» versuche ich abzulenken. «Nein, nein Mensch, dies spielt nun wirklich keine Rolle mehr. Zudem habe ich immer ein paar Kirschstängeli mit dabei. Ich weiss mittlerweile, dass es mit dir manchmal etwas länger dauern kann und ich über einen kleinen Zuckernachschub froh bin.» fällt mir der Hund ins Wort und hindert mich am Weggehen. Ich setze mich also wieder hin und halte ein paar Augenblicke inne.

«Ich habe kürzlich erfahren, wie viel stärker und zufriedener Kinder sind.» sage ich dann nachdenklich. «Mensch, erzähl mal.» wirft der Hund leise nach. «Ich versuche etwas abzukürzen. Die Erwachsenen beschlossen, den Sandkasten abzuräumen und stattdessen ein Hochbeet anzulegen, um darin Tomatenstöcke zu pflanzen.» beginne ich zu erzählen. «Okay, dies ist ja lecker – zumindest für diejenigen die Tomaten mögen.» präzisiert der Hund. «Genau Vierbeiner, darauf komme ich gleich zu sprechen. Die Erwachsenen, nennen wir sie nun mal so, haben es den Kindern mitgeteilt, was sie vorhaben und blumig die Vorteile erläutert. Die Kinder, nennen wir sie der einfachheitshalber auch so, haben wohl den Erwachsenen zu liebe einfach zugestimmt.» beginne ich zu erzählen. «Dann ist ja alles tiptop Mensch. Eine Idee, die von allen getragen wird.» wirft der Hund ein.

«Das haben die Erwachsenen genau auch gedacht. Aber als es dann um die Umsetzung ging, konnte einer der Erwachsenen beobachten, wie das knapp achtjährige Kind das Weinen unterdrücken musste. Da bemerkte die Erwachsenen Personen, wie eigensinnig sie gehandelt haben. Das Kind traute sich nicht zu sagen, dass es sehr gerne im Sandkasten spielte. Schlimmer, die Erwachsenen haben vor lauter Vorpreschen nicht mit einbezogen, dass dieses Kind oft und viel für sich allein im Sandkasten sitzt und spielt. Nur um bei den Eltern nicht als Miesepeter dastehen zu wollen, willigte das Kind ein als in der Familie über die Entfernung des Sandkastens gesprochen wurde.» beende ich meinen Monolog und starre wieder gedankenversunken in die Ferne.

Nach einer Weile in welcher wir nun gemeinsam schweigend unseren Gedanken nachgehangen haben, ergreife ich wieder das Wort. «Weisst Du Vierbeiner, natürlich kann dieses Kind auch mal frech und aufbrausend sein, aber, es ist ein Kind aus dessen Mund du fast nie Ausdrücke wie, «ICH WILL DAS HABEN…» oder «KANN ICH DAS HABEN…» hörst. Nein, es sagt, ich würde sehr gerne mal ein solches … haben, oder wenn ich gross bin, dann kaufe ich mir dies. Es konnte nun nicht sagen, nein meine Erwachsenen, ich weiss, ihr stört euch an diesem Sandkasten, aber ich spiele sehr gerne und auch oft darin. Darum bitte ich euch keine Tomatenstöcke zu pflanzen, zumal ich eh keine Tomaten mag. Im Gegenteil, als es auf das Weinen angesprochen wurde, und die Erwachsene Person sich entschuldigte für sein unüberlegtes Handeln, meinte das Kind tapfer: «Schon gut, es macht nichts, ich weiss ja wie sehr ihr euch auf die Tomaten freut.»

«Tja, mein lieber Mensch, deine Spezies verlernt leider schon im Kindesalter, was ein Kind eigentlich auszeichnet. Nämlich direkt *unverfroren und entwaffnend ehrlich zu sein.» sagt der Hund mit leiser, aber bestimmter Stimme. «Da hat mein Vierbeiner mal wieder recht. Leider handelt unsere Spezies viel zu oft egoistisch und machthaberisch. Es ist klar, wir müssen den Kindern Grenzen aufzeigen, ihnen Anstand und gutes Benehmen beibringen. Aber wir müssen lernen auch mal einfach den Kindern zu hören. Dann würde uns so manches schlechte Gewissen erspart bleiben.» flüstere ich dem Hund schon beinahe zu.

«Mensch, ich will dir da nicht wiedersprechen. Ich gehe davon aus, du hast dies von einem sehr, sehr guten Freund erfahren?» will der Hund von mir wissen. «Aber natürlich mein Freund. Dies hat mir ein sehr, sehr guter Freund erzählt. Du weisst selbst, dass ausser uns zwei niemand unter unserem Dach haust. Wenn wir mal von den uneingeladenen Blutsaugern absehen, welche du dir im Wald jeweils auflädst.» bestätige ich dem Hund seinen Einwand.

«Was? Ich habe eine Zecke an meinem Luxuskörper?» schreit der Hund auf. «Keine Panik Vierbeiner, ich komme nun gleich mit dir rein und entferne vor dem Abendessen den ungeliebten Gast. Denn auch seinem treuen Begleiter soll man gut zuhören.» sage ich zum Hund und stehe auf, um rein zu gehen. «Aber sage vorzugsweise niemandem davon, dass du mir zuhörst. Es könnte dann sein, dass du für durchgeknallt gehalten wirst.» gibt der Hund zur Antwort und wir verschwinden schmunzelnd im Haus.

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