| GEWOHNHEITSRECHT |

«Mein treuer Vierbeiner, kann es sein, dass du heute mal wieder überhaupt keine Lust hast mich zur Arbeit zu begleiten?» rufe ich dem Hund zu während ich mit Leine und Führgeschirr bereit stehe und er in seiner Oase trotz meiner deutlichen Aufforderung nicht einmal mit der Wimper zuckt.(1) «Nö!» ist die äusserst knappe Antwort des Hundes. «Schön, aber es dürfte dir aus deiner Zeit in der Ausbildung sicherlich bekannt sein, dass die Begleitung einer Person nicht eine Frage der Lust ist!» rufe ich dem Hund in die Oase zu.

«Ooch, weisst du Mensch, das ist schon so lange her, ich mag mich wirklich nicht mehr an jede einzelne Lektion erinnern.» seufzt der Hund zurück. «Ein Schelm, wer dem Hund nun unterstellen könnte, gar nie eine Ausbildung zum Blindenführhund absolviert zu haben.» sage ich schmunzelnd in die Richtung des Hundes.

«Auf die Gefahr hin nun vom Menschen wieder einmal als Besserwisser oder Schulmeister betitelt zu werden, kann der Hund dem Menschen gerne erläutern, dass Dummkopf als Begriffsbedeutung von Schelm oft herbeigezogen wird. Bevor du nun einen theatralischen Aufstand aufführst, ja ich denke, dies trifft in Bezug auf deine Aussage meiner hochdotierten Ausbildung durchaus auf dich zu.» sagt der Hund – plötzlich hellwach und kampfeslustig – zu mir.

«Immer wieder erstaunlich wie der Vierbeiner es versteht, den schlafenden Hund perfekt zu inszenieren, um innert einer Hundertstelsekunde sich in einen Wadenbeisser zu verwandeln.» erwidere ich schmunzelnd.

«Pha, Mensch, der Vergleich zwischen mir und einem Wadenbeisser ist eine bodenlose Frechheit.» empört sich der Hund während er in Windeseile vor mir auf sein Hinterteil gesetzt hat und sehr, sehr böse zu schauen scheint.

«Ach schaut, schaut,(2) der Hund ist aus seiner Lethargie erwacht und ist nun bereit für den Arbeitsweg. Wie schön!», der Vierbeiner ist zur Vernunft gekommen.» sage ich zum Hund und kann mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. «Falsch interpretiert lieber Mensch. Ich bin nicht hier, weil ich zur Vernunft gekommen bin, sondern weil ich den Begriff Wadenbeisser dir aus kürzester Distanz erläutern will – nein MUSS!» schnauzt mich der Hund an.

«Ach herrje, geht es lange? Ich müsste in einer dreiviertel Stunde bei der Arbeit erschienen sein.» sage ich augenrollend zum Hund. «Klappe halten und zuhören! Als Wadenbeisser betitelt Man(n) jemand, der hinterhältig und ohne Vorwarnung von hinten in die Waden beisst. Ich kann dir aber versichern, ich bin da direkt und transparent. Wenn mir was nicht passt sage ich es dir direkt ins Gesicht und muss nicht hinterhältig zu beissen.» ereifert sich der Hund. Bevor ich etwas entgegnen kann fügt der Hund spöttisch an.

«Meine frontale, direkte Art hat in deinem Fall zwar etwa den gleichen Effekt wie der eines Wadenbeissers. Er kommt aus rein optischer Sicht auch überraschend.» Ich versuche den Vierbeiner visuell erfassen zu können. Er wälzt sich vor lauter Belustigung am Boden, bemüht das fiese Lachen akustisch zu unterdrücken. «Der Vierbeiner braucht sich gar nicht Mühe zu geben das Lachen zu unterdrücken und sich anstatt dessen endlich wie erlernt links von mir hin zu stellen, damit ich die Leine anlegen kann und wir danach endlich loskönnen.» zische ich den Hund an.

«Nein Mensch, ich streike heute. Du kannst alleine los.» entgegnet der Hund und trottet unbeeindruckt in seine Oase. «Lass den Unsinn Hund. Komm jetzt her und lass uns losziehen.» rufe ich bestimmt in die Richtung der Oase. «Entschuldige Mensch, aber heute ziehe ich mal wieder einen meiner freien Montage ein. Höre meine weltklasse Musiktapes und geniesse die eine oder andere Schachtel Kirschstängeli.» entgegnet der Hund unbeeindruckt.

«Schade Hund, Montag war gestern. Also rapple dich auf und komm jetzt.» erwidere ich, «Genau da liegt das Problem bei eurer Spezies. Ihr seid extreme Gewohnheitstiere. Wobei ich mich gerade frage, warum nun für einen negativen Begriff in eurer Sprache wieder mit der Tierwelt in den Dreck zieht?» murmelt der Hund vor sich hin. «Aber das passt doch perfekt!» prasst es aus mir heraus. Der Hund erschreckt und sagt dann erleichtert.

«Schön Mensch, dass du es eingesehen hast und ich heute zu Hause bleiben kann. Denn weisst du, ich finde es wichtig, dass du auch hin und wieder alleine etwas unternimmst. Dadurch bleibst du auch selbstständig und verlernst nicht im Alltag allein klar zu kommen.» «Aber nein Vierbeiner! Erstens macht es mir überhaupt nichts aus zusammen Tag für Tag mit dir zur Arbeit zu laufen und zweitens habe ich gar nicht dies gemeint. Ich habe mit «das passt» eigentlich den Vergleich zwischen dem Begriff Gewohnheitstier und dir gemeint.» erkläre ich mich dem Hund als dieser mir ins Wort fällt.

«Ähhh, was wie und überhaupt was laberst du da!» «Es ist in den vergangenen Monaten hin und wieder vorgekommen, dass ich meinem treuen Vierbeiner hin und wieder an einem Montag frei gab. Dies wurde von meinem Vierbeiner so verinnerlicht, dass es für Ihn zur Gewohnheit geworden ist. Da passt auch für die Spezies Hund das Substantiv «Gewohnheitstier» ja perfekt.» triumphiere ich.

«Mal nicht so voreilig mein Freund. Nur weil ich dich in der Tat, Tag für Tag treu begleite, und mir nun ausnahmsweise mal erlaube an einem Dienstag dies nicht zu tun, zeigt mir ja viel mehr, der Herr hat Mühe mit Veränderungen und DEIN Leben von Gewohnheiten bestimmt ist. Dies ist nämlich die Begriffserklärung von Gewohnheitstier.» belehrt mich der Hund und wirft sich genüsslich ein Kirschstängeli in den Rachen.

 

  • «Hat sich der geschätzte Leser hier auch gefragt, wie der Mensch mit seiner bescheidenen Sehleistung bemerkt haben soll, dass der Hund nicht mal mit der Wimper gezuckt hat?» Anmerkung des Hundes.
  • «Was er hier wohl gesehen hat, wen der Mensch von sehen schreibt. Lieber Mensch, «hört, hört» wäre in deinem Fall wohl passender.» Anmerkung des Hundes in der Funktion des Lektors.

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