Papierkram

„Hat der Herr schlechte Laune?“ Der Hund linst hinter einer halb geleerten Schachtel Kirschstängeli hervor.
Ich atme tief durch und drehe langsam den Kopf in seine Richtung. „Darf ich fragen, wie der Hund darauf kommt?“ antworte ich durchaus leicht genervt. „Naja, wenn der Herr, seit gefühlten drei Stunden vor seinem Laptop und einem Formular sitzt und immer wieder, zwar leise aber bestimmt die Bibel rückwärts betet, zeugt dies nicht gerade von Friede, Freude Eierkuchen!“ Ich meine einen leicht ironischen Unterton beim Hund wahrzunehmen. „Ha ha. Hat der Hund aber einen grossen Clown zum Frühstück verspiesen!“, zische ich den Hund an. „Ja, habe ich und er hatte etwa Deine Grösse!“ witzelt der Hund zurück. „Hüte Deine Zunge Hund!“ falle ich dem Hund ins Wort.
„Sogar die Temperatur des Tiefkühllagers eines Grossverteilers ist noch wärmer als deine Stimmung! Darf man fragen, wer oder was der Anlass zu deiner schlechten Laune gegeben hat?“ entgegnet mir der Hund unbeeindruckt. „Willst du es wirklich wissen oder fragst du nur aus Höflichkeit?“ fragend schaue ich zu meinem Gefährten. „Der Herr Doktor nimmt sich sehr gerne die Zeit! Komm – leg dich auf die Beratungscouch“ sagt der Hund während er mit der Pfote auf das Sofa tippt. „Nein Danke, ich sitze lieber!“ Ich muss grinsen. „Was führt sie zu mir?“ fragt mich der Hund mit wichtiger Miene. Er schnappt sich meinen Laptop und mimt den eifrigen Notizenmacher.
„Was denkst du Hund gehört nicht zu den grössten Stärken einer Person, die fast blind ist?“ frage ich den Hund mit ernstem Gesichtsausdruck. „Naja, in deinem Falle kämen mir da spontan EINIGE Dinge in den Sinn, die du nicht drauf hast!“, stichelt der Hund. Ich drehe den Kopf und schaue dem Hund mit zusammen gekniffenen Augen drohend an. „Ähhh, Entschuldigung!“ jetzt grinst der Hund.
„Das Lesen von Formularen und deren Vervollständigung meine ich in diesem konkreten Falle! Es macht mich ärgerlich, dass sogar Fachstellen welche sich für Menschen mit Seheinschränkungen einsetzen, genau solche Formulare versenden. Da frage ich mich dann jeweils, welche Überlegungen dahinter stecken. Wissen die es einfach nicht besser? Können die sich nicht denken, dass es für uns Betroffene mühsam ist? Für manche Menschen mit Sehschwächen stellen diese Formulare ein unüberwindbares Hindernis dar. Hat es vielleicht damit zu tun, dass bei diesen Ämtern und Vereinen fast ausnahmslos normal sehende Menschen beschäftigt sind? Diese Menschen haben irgendein hochstehendes, anerkanntes Ausbildungsdiplom an der Wand und kennen in Tat und Wahrheit unsere Themen und Herausforderungen nur aus der Theorie! Und diese Trockenschwimmer wollen dir dann erklären was du kannst oder eben nicht kannst. Es ist ein Hohn wie uns mit jedem Postversand gezeigt wird, dass wir eine Einschränkung haben und mit vielen Steinen im Weg zu kämpfen haben. Ich frage mich, ob sie den Gehörlosen die Korrespondenz als Audiofile zusenden?“ Ich habe mich in Rage geredet. Ich merke wie sehr mir das Thema auf dem Herzen liegt und manchmal muss es einfach mal gesagt werden. Während ich also noch am Tisch sitze und meinen Monolog abschliesse, kommt der Hund zu mir und stösst mich mit seiner Schnauze an. „Komm Mensch, lass uns spazieren gehen. Das lüftet dir den Kopf und hebt deine Laune.“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert