«Was bleibt der Hund so abrupt stehen?» sage ich erstaunt in die Richtung des Hundes als dieser nicht wie gewohnt dem Strassenverlauf nach rechts folgt und stattdessen vor einem Fussgängerstreifen stehen bleibt. «Wir müssen links die Strasse überqueren!» ist die ruhige aber bestimmte Antwort des Hundes. «Nein Hund, wir müssen dem Strassenverlauf folgen um nach Hause zu gelangen!» kontere ich. «Ach ja, und wie will der Blinde dies wissen?» höre ich den Hund mit einem mitleidigen Lächeln sagen.
«Wir nehmen immer diesen Weg Hund!» entgegne ich. «Nein nicht immer, heute nehmen wir einen anderen!» wirft der Hund ein. «Nein, wir nehmen den gleichen Weg wie immer Vierbeiner!» sage ich zum Hund und fordere ihn auf zum weiter gehen. Der Hund hat sich in der Zwischenzeit auf sein Hinterteil gesetzt und sträubt sich gegen meine Aufforderung.
«Was soll dies Hund? Ich will nun nach Hause! Schau mal zurück, die Autos stauen sich bereits, weil sie meinen, wir wollten über die Strasse!» fauche ich den Hund an. «Als würde der Mensch die Blechlawine sehen!» zischt der Hund zurück. «Dann höre ich es halt!» fauche ich erneut den Hund an. «Wie hört sich den ein Stau an, Mensch?» will der Hund von mir wissen. «Ach wie witzig der Hund sein kann! Aber ich werde es Dir gerne sagen Hund, damit wir dann endlich weiter können!» entgegne ich. «Da bin ich ja mal gespannt!» murmelt der Hund dazwischen.
«Also Vierbeiner, erstens höre ich wie die Fahrzeuge einige Meter bevor sie an uns vorbeirauschen würden abbremsen, und zweitens glaube ich kaum, dass jedes Auto welches hupend an uns vorbei fährt, dies tut weil wir uns kennen!» kläre ich den Hund auf.
«Wie willst du dies wissen, du kannst ja nicht erkennen wer das Fahrzeug pilotiert!» wirft der Hund ein. «Da hat mein Vierbeiner recht, dies kann ich nicht erkennen! Da aber die Leute, welche uns kennen auch wissen, dass ich anhand der Hupe nicht erkennen kann, wer da an uns grüssend vorbeifährt, macht dies auch keiner! Was im Zusammenhang mit der Tatsache unseres Standortes vor einem Zebrastreifen nur eine Schlussfolgerung zulässt. Die Horner nerven sich, weil sie uns über die Strasse lassen wollten. Wir hingegen stehen immer noch wie die Ölgötzen hier!» fauche ich den Hund an. «Das ist ja eine deiner Kernkompetenzen!» flappst der Hund mir zu.
«Wenigstens habe ich eine Kompetenz!» entgegne ich. Bevor der Hund etwas antworten kann, fahre ich fort. «Wenn Sturheit auch eine Kompetenz ist, dann hast du wahrlich auch eine!»
«Witzbold! Das ist wohl eher eine Tugend und keine Kompetenz. Oder Mensch?!?» sagt der Hund zu mir während er die Augen verdreht. «Was wohl auch auf Nervensäge zutrifft! Aber ich wäre Dir nun dankbar, wenn wir zumindest einige Meter nach links oder rechts gehen könnten, damit wir nicht länger vor dem Zebrastreifen stehen, und sich nicht noch mehr als die gefühlten einhundert Piloten über uns ärgern und hupen müssen!» fordere ich den Hund zum Weitergehen auf.
«Auch auf die Gefahr hin, weiterhin etwas an deinen Nerven sägen zu müssen, ich gehe hier nur weiter wenn wir die Strasse auf dem vor uns liegenden Zebrastreifen überqueren!» entgegnet der Hund und macht keinerlei Anstalten, sein Hinterteil auch nur ansatzweise nach links oder rechts zu verschieben. «Vierbeiner, ich verliere langsam die Geduld! Ich werde den Verdacht nicht los, der Hund überschreitet gerade seine in der Ausbildung erlernten und übertragenen Kompetenzen!» sage ich zum Hund.
«Will der Mensch nun wirklich hier und jetzt mit dem Hund über die Kompetenzen eines Blindenführhundes diskutieren?» triumphiert der Hund. «Ach Hund, wenn ich es mir so überlege… …NEIN! Jetzt reicht es mir! Nun Befehle ich dir in meiner Kompetenz als Hundehalter sofort meinen Anforderungen nach zu kommen und wie ich vor einigen Minuten gesagt habe, dem gewohnten Weg zu folgen!» zische ich zurück.
«Ach Mensch, ich habe das Gefühl, das Beharren auf deiner Kompetenz könnte unter Umständen nicht optimal heraus kommen!» entgegnet der Hund. «Das lasse mal schön meine Sorge sein Vierbeiner!» fauche ich zurück. «Wäre der Mensch allenfalls für einen Kompromiss zu begeistern?» wirft der Hund ein, ohne von seiner Position zu weichen. «ABGELEHNT! Ich verhandle mit dir nicht! Folge mir nun!» fordere ich den Hund zum Gehen auf.
Der Hund steht auf, folgt mir einige Meter und bleibt kurz danach wieder bockstill stehen und sagt dann mit lauter genervter Stimme. «Mensch nun reicht’s! Klappe halten und genau hin lauschen was ich dir nun mitteile! In Meiner KOMPETENZ als ausgebildeter, zertifizierter Blindenführhund, kann ich, im Gegensatz zu dir erkennen, dass in ca. zwanzig Metern unser Gehsteig durch ein zwei Meter langes Loch unterbrochen wird! Wenn der Herr Besserwisser also nicht wieder einmal seine Fussbänder und allfällige weitere Körperteile in Mitleidenschaft gezogen haben möchte, sollte er für einmal auf seinen treuen Vierbeiner hören und AUSNAHMSWEISE so flexibel sein einen etwas anderen Heimweg unter die Füsse zu nehmen! Auch wenn die Flexibilität nicht zu seinen Stärken zählt!»