| ETIKETTENSCHWINDEL |

«Kann es sein, dass der Mensch sich grad fürchterlich ärgert?» ruft mir der Hund ab seiner Oase zu. «Och ja und zwar gewaltig!» entgegne ich dem Hund. «Hund, wir haben uns wiederholt über die Thematik der körperlich Herausgeforderten im Arbeitsmarkt unterhalten! Wie schwierig es ist, überhaupt die Chance zu bekommen, sich im ersten Arbeitsmarkt zu etablieren! Es gibt nur wenige Arbeitgeber, die uns überhaupt die Möglichkeit geben, zu beweisen, dass wir vollwertige Mitarbeiter sein können! Es ist natürlich schön, wenn Menschen mit Beeinträchtigungen die Möglichkeit geboten wird, in sogenannten geschützten Werkstätten einer Arbeit nachgehen zu können!» schliesse ich meine brennende Rede ab.  

Der Hund räuspert sich und sagt dann mit sehr langsamer und ruhiger Stimme. «Mensch, was regst du dich dann auf?» Ich merke wie es innerlich noch mehr zu Kribbeln beginnt! Wie in solchen Situationen üblich, kneife ich die Augen zusammen, drehe den Kopf in die Richtung des Hundes, und beginne tief ein und auszuatmen.   

«Es wäre dann alles gut, wenn diese Werkstätten, welche natürlich immer von „gesunden“ Personen geführt werden, auch Ihrem Auftrag nachkommen würden!» rede ich mich noch mehr in Rage. «Kannst du das bitte noch etwas genauer beschreiben?» fällt mir der Hund ins Wort. «Aber gerne doch, wenn du mich mal nicht immer unterbrechen würdest!» schnaube ich den Hund an. «Dein Puls ist dermassen hoch und der Zorn lässt deinen Kopf im schönsten Rot erhellen, dass ich deiner Gesundheit zuliebe etwas beruhigend einwirken muss!» sagt der Hund unbeeindruckt zu mir.

Bevor ich überhaupt etwas entgegnen kann meldet sich der Hund bereits wieder zu Wort. «Es scheint im Moment aber nicht wirklich zu nützen! Das Rot wird eher noch satter und wenn ich sehe wie die Adern an der Schläfe pulsieren, gilt dies wohl auch für die Taktfrequenz des Pulses!« Ich kneife die Augen noch mehr zusammen und intensiviere die Atmung. Der Hund lächelt verlegen und flüstert leise: «Äh, der Hund schweigt ab sofort und leiht dem Menschen seine Lauscher!»

«Schön, dass es nun angekommen ist! Wenn also eine Blindenwerkstatt in der Schweiz Produkte vertreibt, welche blinde Menschen hergestellt haben sollen, und darum um ein Vielfaches teurer sind, nervt schon mal diese Aussage enorm!» teile ich dem Hund meinen Ärger mit.  

«Was meint Mensch genau?» will der Hund wissen. « Ich bin einfach nicht sicher, ob ein Mensch, welcher sehr stark sehbehindert ist oder sogar blind ist, wirklich so viel langsamer ist bei seiner Arbeit wie ein Mensch der normal sieht. Zumal ich davon ausgehe, diese Arbeit sei auch behindertengerecht gewählt!  Wenn dem wirklich so ist, frage ich mich ob denn hier der Beeinträchtigte wirklich der richtigen Arbeit nach geht! Das riecht für mich ja förmlich nach Beschäftigungstherapie!» rede ich mich erneut in Rage.  

Bevor der Hund etwas sagen kann fahre ich fort. «Ich bin überzeugt, dass diese Menschen auch einer anderen Arbeit nachgehen könnten als von Hand Bürsten und Besen zu fertigen, welche von Maschinen viel günstiger produziert werden können. Aber der Gipfel am Ganzen ist nun, dass in einer solchen Werkstatt im Wallis, nicht ein einziger Betroffener arbeitet und die meisten Produkte aus dem Ausland importiert werden!» ich mache eine kurze Pause um Luft zu holen und fahre dann umgehen fort.  

«Dieser Etikettenschwindel hilft uns Betroffenen in mehreren Punkten in keiner Art und Weise! Denn das soziale Engagement der Leute wird offensichtlich mit Füssen getreten. Ausbaden können es dann wieder die Betroffenen und sicherlich nicht die Sehenden!» sage ich zum Hund. «Was meinst du mit ausbaden?» fragt der Hund nach. «In diesem konkreten Fall wird mit unserer Beeinträchtigung betrogen und gelogen! Dies vermittelt bei vielen nicht einen guten Eindruck von blinden Menschen! Wahrscheinlich werden nun Einige darin bestätigt, welche meinen, wir können ja nicht viel mehr als Bürsten und Besen knüpfen. Zumal in diesem Fall der Schweizerische Blindenbund auch beteiligt sein soll!» rege ich mich fürchterlich auf. «Nun weiss ich was du meinst, auch weil die wenigsten wissen, dass es in der Schweiz verschiedene Verbände im Blindenwesen gibt! Nun werden wohl wieder alle in den gleichen Topf geworfen!» sagt der Hund kopfschüttelnd und schiebt dann gleich nach. «Apropos Topf, ich wäre froh, wenn wir für grosse Hunde könnten!» 

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