| ELTERNABEND |

«Mensch, du bist sehr still heute.» sagt der Hund zu mir als wir vor dem ins Bett gehen noch kurz zusammen den Abend ausklingen lassen. «Ja, ich weiss mein treuer Vierbeiner,» sage ich nur. «Was beschäftigt den Menschen denn?» will der Hund wissen. «Ach Vierbeiner, unsere Gesellschaft.» entgegne ich. «Was ist damit?» will der Hund nach einer kurzen Pause wissen. «Ach, wenn ich höre, welcher Druck von der Gesellschaft ausgeht.» sage ich mit leiser Stimme.

«In Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit und meiner vorhandenen Müdigkeit, verzichte ich nun darauf die Psychologen Utensilien hervor zu kramen, wenn das dem Herrn recht ist.» versucht der Hund die Situation mit einer humoristischen Antwort etwas auf zu lockern. «Da bin ich sogar froh, den der Stundenansatz des Hobby Psychologen ist für Otto Normalo eh kaum finanzierbar» antworte ich mit einem Schmunzeln.

«Zwei Dinge in deiner Antwort, welche wir zusammen besprechen müssen.» unterbricht mich der Hund. Ich rolle nur mit den Augen und weiss eigentlich was mich nun für eine Diskussion erwartet. «Vorweg, der Herr braucht gar nicht mit den Augen zu rollen – also, erstens ist es eine Frechheit meiner Tätigkeit als Zuhörer von einem Hobby zu sprechen, und bevor der Mensch nun dazwischen quatscht komme ich gleich zu zweitens. Mein Honorar ist wohl alles andere als überrissen mein Freund. Glaube ja kaum, dass der Herr für zwei Stunden Dampf ablassen an einem anderen Ort mit zwei Schachteln Kirschstängeli davonkommt!»

Ich warte einen Moment und sage dann; «Hat der Herr Doktor fertig.» «Ja, Flasche Leer habe fertig.» sagt der Hund mit einem Deutsch Italienischen Akzent, an Anlehnung eines bekannten Italienischen Fussballtrainers. «Dann können wir nun beruhigt zum eigentlichen Thema zurückkehren. Also der Druck, welcher auf der Gesellschaft liegt macht mir je älter das ich werde, je mehr Sorgen. Nein ich gerate schon fast in Rage.» sage ich zum Hund und merke wie der Puls ansteigt.

Der Hund schafft vorsorglich schon mal etwas Freiraum zwischen ihm und mir. «Der Herbst steht vor der Türe und wie ich gehört habe, finden nun wieder die Elternabende statt. Da gibt es Eltern, die ihre Kinder so dermassen unter Druck setzen, dass ich mich frage, ob dieses Kind wirklich noch Kind sein kann, oder ob es nicht, und dies habe ich mit dir auch schon einige Male angesprochen, erreichen müssen, was ihre Eltern nicht geschafft haben. Ich frage dich nun, muss das Kind wirklich auf Teufel komm raus Macht, Ruhm, Ehre und die verpasste Karriere der Eltern erlangen?» ereifere ich mich in einem kleinen Monolog.

«Nehme an, du fragst mich dies für einen sehr guten Freund mit Kindern?» will der Hund von mir wissen und muss dabei heftig schmunzeln. «Aber klar doch Vierbeiner, oder gehst du noch zur Schule?» gebe ich dem Hund zur Antwort und muss ebenfalls schmunzeln. «Ich frage ja nur, weil für mein Freundschafts Stundenansatz von einer Schachtel Kirschstängeli pro Stunde bei Beratungen für Dritte auf zwei Schachteln ansteigt.» wirft der Hund ein.

«Ja klar, werde meinem guten Freund dies gerne mitteilen.» sage ich zum Hund und streichle seinen Kopf. «Gut, dann kannst du nun fortfahren.» höre ich die Erleichterung in Hundes Stimme. «Ich frage dich, also für eben meinen guten Freund. Was nützt es, wenn er ein blitzgescheites Kind hat, welches durch Druck der Eltern zustande kommt, aber dann beispielsweise durch einen Schicksalsschlag, sei es ein Unfall oder eine Krankheit, den angestrebten Weg gar nicht weiter gehen kann, weil es schlicht und einfach nicht mehr geht, oder eben genau solchen übermotivierten ehrgeizigen, egoistischen Individuen, dem betroffenen Mensch keine Chance gibt sich im privaten und beruflichen Umfeld beweisen zu können. Entziehen solche Eltern ihren Kindern dann die Liebe, weil es nicht dies erreichte was von den Eltern vorgesehen war? Kann es nicht sein, dass dieser Mensch vielleicht gar nicht die gleichen Wünsche und Träume hat wie seine Eltern? Könnte es nicht sein, dass dieser Mensch gar nicht nach Macht, Ruhm und Reichtum strebt wie er dies von seinen Eltern vorgelebt bekommt? Ist es schlimm, wenn er als Berufswunsch nicht einen akademischen Titel anstrebt? Werfe ich Frage um Frage in die Richtung des Hundes. Bevor dieser etwas antworten kann fahre ich gleich selbst fort. NEIN, NEIN, NEIN! Dies macht überhaupt nichts. Im Gegenteil, wir brauchen je länger je mehr auch Leute, welche mit ihrem handwerklichen Geschick unsre Gesellschaft bereichern. Und Menschen, welche das Menschliche wieder in unsere Gesellschaft einbringen. Natürlich wir brauchen Ziele und Träume, aber nicht um jeden Preis.

Das Wertesystem ist bei jedem einzelnen Individuum anders. Vielleicht möchte der Sprössling gar nicht in die Fussstapfen seiner erfolgreichen Eltern treten. Ist glücklich und zufrieden, wenn er, zwar mit wenig finanziellen Mitteln seine Freiheit geniessen kann.»

Der Hund mustert mich eine Weile stumm und sagt dann. «Hat es in deinen Aussagen zufälligerweise autobiographische Züge?» «Wie kommt den der Hobby Psychologe auf diese Idee? Ich habe es dir doch erklärt, ich frage für einen guten Freund – Aber ich gebe dir insofern recht, ich muss mich auch selber wieder einmal an der Nase nehmen.» gebe ich dem Hund zur Antwort. «In wiefern?» fragt der Hund.

«Eigentlich in fast allen von mir angesprochenen Punkten. Aber vor allem auch im Umgang mit dir. Was macht es schon aus, dass du mich mit deiner Kirschstängeli Sucht an den Rand eines Ruins bringst, dafür aber Tag für Tag treu, sicher, wortlos und ohne zu murren begleitest.» sage ich leise zum Hund. Bevor dieser vor lauter Stolz platzt, füge ich noch an. «Na ja, das mit dem wortlos und ohne zu murren, kannst du mal streichen.»